Bis zum 2. Weltkrieg
Der Geburtstag des Musikvereins Rosswangen lässt sich dank der Aufzeichnungen im Protokollbuch genau feststellen. Es ist der 24. Januar 1925. An diesem Tag wurde die Einwohnerschaft Rosswangens in das Gasthaus Adler eingeladen, wo um 12 Uhr Hieronymus Butz die Erschienenen begrüßte, ihnen Sinn und Zweck eines Musikvereins vortrug und sie aufforderte, sich recht zahlreich in die Mitgliederliste einzutragen. 13 Männer befolgten diesen Aufruf, von denen gut die Hälfte ein Instrument spielen wollte. Die Vereinsführung bestand aus einem 2-Mann-Vorstand, dem Vorsitzenden einerseits und dem Kassier als Hüter der Finanzen andererseits. Zu hüten gab es allerdings damals noch nichts, vielmehr mussten erst finanzielle Mittel beschafft werden, und das war in jener Zeit kurz nach der Inflation, wo es Land und Leuten nicht sonderlich gut ging, ziemlich schwierig.
Ein Musikverein brauchte jedoch Instrumente, und diese mussten gekauft werden. Aber wie? Notgedrungen erklärte sich jeder der 7 aktiven Musiker bereit, einen Teil der Kosten aus eigener Tasche aufzubringen. Der Rest für die Anzahlung der Instrumente wurde durch das Mitglied Johann Butz bei der Darlehenskasse als persönlicher Kredit aufgenommen, von wohlhabenden Leuten gepumpt, mit Haussammlungen erbettelt und durch eine Fastnachtstheateraufführung hereingespielt. Dazu war es nötig, beim Radfahrerverein, den es damals neben dem Militär- und dem Gesangverein in Rosswangen noch gab, die Tribüne zu entleihen. Infolge der "schlechten finanziellen Lage des Vereins" wurde die ursprüngliche ausgehandelte Mietgebühr von 10 Mark erlassen. Solidarität unter den Vereinen damals wie heute nachahmenswert!
Am 7. Februar 1925 kaufte eine Abordnung beim Musikhaus Ellenrieder in Tuttlingen, wo man die günstigsten Zahlungsbedingungen vorgefunden hatte, die Instrumente ein. Es waren dies: ein B-Bass, zwei B-Tenorhörner, ein Es-Althorn, ein B-Flügelhorn, eine B-Trompete sowie eine gebrauchte Ventilposaune. Diese Instrumente kosteten damals zusammen 715 Mark. Hocherfreut und mit mächtigem Besitzerstolz sollen die 7 aktiven Musiker ihr Blech an sich genommen haben. Ihre Namen lauten: Hieronymus Butz, Josef Schweizer, Reinhard Schweizer, Joachim Schweizer, Matthäus Klaiber, Franz Sand und Alois Merz.
Jetzt konnte geübt werden. Aber wo? Das gemeindeeigene Backhäuschen sollte als Probelokal dienen. Der Gemeinderat lehnte aber ab und so musste im Haus des Sebastian Merz auf dem Deutenbühl gespielt werden. Dirigent war Eugen Seemann aus Balingen, der aber nur kurze Zeit dem Verein musikalisch vorstand, weil er durch Wegzug ausfiel. Nachfolger wurde der aus Waldstetten stammende Ludwig Herrmann, welcher am 4. August 1926 die Dirigentenrolle übernahm.
Über den musikalischen Stand der Kapelle in jener Zeit ist in den Annalen wenig vermerkt. Doch soll schon bei der Verabschiedung des ersten Dirigenten ein Konzert im Gasthaus Schwanen stattgefunden haben. Auch alle Versammlungen wurden mit schneidigen Märschen verschönt. Auf welchem musikalischen Niveau man tatsächlich stand, zeigte sich erst, als der Verein sich in einem Wertungsspiel der Jury stellte. Das geschah zum erstenmal am 29. Mai 1927 in Balingen mit dem Musikstück "Mignonette". Die Kapelle erhielt in der Unterstufe einen "1b Preis" und als Ehrengabe eine Konzerttrommel. Ein Jahr später schaffte man dieselbe Note in Göttelfingen in der nächst höheren Stufe. Unverzagt stellte man sich 1928 mit dem Stück "Ouvertüre zur Oper Regina" in Laufen/Eyach erneut der Kritik und erzielte damit einen "1a Preis", auf den alle Musiker sehr stolz waren. Enttäuschung machte sich nur darüber breit, dass schon wieder eine Konzerttrommel als Ehrengabe verabreicht wurde. Am 7. Juli 1929 war erneut Preisspiel, diesmal beim Gaumusikfest in Geislingen. Mit der "Feeninsel" von F. Maier errang die Kapelle unter sechs konkurrierenden Vereinen den 2. Platz mit 66 Punkten. Als Ehrengabe erhielt man diesmal eine Trompete.
Drei Wochen später, am 28. Juli 1929, beteiligte sich die Kapelle in Lautlingen zum zweitenmal in jenem Jahr an einem Preisspiel. Unter vier Vereinen in der Mittelstufe wurde hier die erste Stelle errungen mit einem "1a Preis". Die Ehrengabe war wieder eine Trompete. Ob mit dieser zweiten Trompete erneut Enttäuschung aufkam, steht nicht im Protokollbuch. Am 9. Juni 1930 erhielt die Musikkapelle beim Preisspiel in Obernheim einen Dämpfer. Mit dem Stück "Wenn ich ein König wär" von Adam wurde nur ein "1b Preis" erzielt. Offensichtlich hatten manche Musiker die Sache auf die leichte Schulter genommen.
Man muss dem Musikverein Rosswangen bescheinigen, dass er seine Gründung in eine ungute Zeit gelegt hat. Schlechte äußere Verhältnisse, Inflation, Arbeitslosigkeit und das Fehlen von finanzkräftigen Gönnern haben ihm die Gründerjahre schwer gemacht. Auch wurde ihm seitens der Gemeindeverwaltung nicht hilfreich unter die Arme gegriffen. Zwar stiftete der aus St. Louis auf Heimaturlaub weilende Franz Hettinger 50 Dollar und ein paar Jahre später Josef Hahn, ebenfalls USA-Urlauber, 100 Mark dem Verein, was dieser sofort durch Ernennung zu Ehrenmitgliedern honorierte. Doch waren das nur Tropfen auf den heißen Stein.
Dem Wachstumsdrang des Musikvereins und den damit verbundenen Ausgaben für den Kauf von Instrumenten standen die ständigen Geldsorgen entgegen. dass es in diesem jungen Verein deshalb oft gärte und rumorte wie in einem Fass unvergorenen Weines, war naheliegend. Der Vorstandsverschleiß von vier Männern in ebensoviel Jahren mag auch ein Beweis dafür sein. Trotz allem wuchs die Kapelle: 1927 spielten 16, 1930 bereits 20 Musiker. Im Jahre 1929 nahm die Kapelle zum erstenmal am Fronleichnamsfest teil.
Um bei solchen Anlässen ein einheitliches äußeres Erscheinungsbild zu geben, wurde der Wunsch nach Uniformen wach, die Schneidermeister Vögele aus Weilheim zum Preise von 82 Mark je Stück fertigte. Die Gemeindeverwaltung stiftete angesichts neuer Ausgaben an Instrumenten und Beschaffung von Uniformen einmalig die Summe von 100 Mark.
Einige Musiker in ihren neuen Uniformen bei einem Schützenfest 1930 im ehemaligen Weilheim
von links nach rechts:
stehend: Ferdinand Butz, Ernst Hahn, Josef Schweizer, Richard Hahn, Franz Butz, Franz Sand, Christian Herrmann, Pius Butz
im Genick sitzend: Melchior Butz, Karl Merz, Benedikt Kraft
Die folgende Zeit stand ganz im Zeichen der Vorbereitung auf das Gründungsfest. Und als dieses dann am 19. und 20. Juli 1930 stattfand, da erlebte Rosswangen "seinen großen, vielleicht größten Tag", so schwärmte der Berichterstatter damals. In der Tat richtete der Benjamin der vier örtlichen Vereine ein Fest aus, das nicht nur für ihn, sondern für die ganze Gemeinde ein Erfolg wurde.
Die Musikkapelle beim Gründungsfest 1930
von links nach rechts:
sitzend: Melchior Butz, Richard Hahn, Karl Merz, Ferdinand Butz, Alfons Klaiber, Wilhelm Schwaibold, Franz Sand, Pius Butz, Johann Butz
stehend: Ernst Hahn, Josef Schweizer, Ludwig Butz, Benedikt Kraft, Christian Herrmann, Ludwig Herrmann, Josef Schweizer, Josef Hahn, Matthäus Klaiber, Eugen Merz, Franz Merz, Franz Butz
Am Samstagabend fand das Festbankett statt, zu dem die Musikkapellen von Oberdigisheim, Vöhringen und Bühlingen bei Rottweil eintrafen, die dann im Ort übernachteten. Am Sonntag war um 3.30 Uhr großes Wecken und um 6.00 Uhr Frühgottesdienst. Um 7.00 Uhr begann im Festzelt das Preisspiel, an dem sich neun Kapellen um Punkte und Preise stritten. Der nachmittägliche Festzug bestand aus 22 Vereinen, Reitern, geschmückten Festwagen und Autos, die durch die mit Blumen und Tannengrün geschmückten Häuserreihen zum Festplatz hinter dem Gasthaus Schwanen zogen. Mehr als 1000 Besucher konnten begrüßt werden. Im Zelt konzertierten die Kapellen, auch Gesangsvorträgen konnte man lauschen.
Auf dem Festplatz gab es allerlei lustige Unterhaltung. Nach der Preisverteilung, bei der es nur "1a Preise" gab, traf man sich am Abend noch zu einem Festball, der die in allen Teilen gut verlaufene Veranstaltung abschloss. Mit einem Kinderfest endeten die Musiktage in Rosswangen, von denen noch lange anerkennend und hochbefriedigt gesprochen wurde. Auch finanziell war das Fest ein Erfolg. Mit 1867 Mark Einnahmen und 1386 Mark Ausgaben blieben immerhin 481 Mark Gewinn, so dass nun auch den letzten privaten Kreditgebern ihr Geld zurückbezahlt werden konnte und der Verein zum erstenmal auf der Habenseite einen nennenswerten Betrag, nämlich 250 Mark, verbuchen konnte.
Nach der Gründungszeit, die durch ein schnelles Wachstum in personeller und musikalischer Hinsicht geprägt war, sollte eine Ruhepause eintreten, eine Zeit der Konsolidierung mit dem Ziele, den erworbenen Leistungsstand zu halten und gegebenenfalls zu verbessern. An eine Vergrößerung der Kapelle dachte man nicht. Zu schwer war auch die finanzielle Belastung in jener wirtschaftlich immer noch schwierigen Zeit. Oft ist in den Protokollen von Sparmaßnahmen zu lesen. So senkte man die Dirigentenentlohnung von 3 Mark auf 2,50 Mark, und für das Weihnachtsgeschenk mussten statt bisher 10 Mark nun 5 Mark reichen. Veranstaltungen wurden eintrittsfrei gehalten, der Verein nahm mit einer Tellersammlung vorlieb. Und als die passiven Mitglieder ihren Beitrag von 4 Mark auf 3 Mark jährlich reduziert haben wollten, da beglichen die Aktiven den Verlust aus eigener Tasche, um die Vereinskasse schadlos zu halten.
Die Kapelle, die in jenen Jahren ca. 20 Mann stark war, begnügte sich damit, ihre Proben abzuhalten, benachbarte Gartenfeste zu besuchen, aber auch die alljährlichen kirchlichen und weltlichen Feste zu verschönern. Zwar nahm man 1932 noch die Mühen eines Preisspiels in Lautlingen auf sich, doch wurden diese nur mit einem "1b Preis" (111 Punkte) in der Mittelstufe belohnt. Gespielt wurde die Ouvertüre "Deutsche Jugend" von Lüdiger. Die Ehrengabe war wieder eine Trompete.
Im Jahre 1934 verabschiedete sich der Dirigent Ludwig Herrmann altershalber vom Verein. Bereits zwei Jahre später wurde er vom Tod ereilt. Fast gleichzeitig mit ihm ging auch der bisherige 1. Vorsitzende Alfons Klaiber, der dem Verein seit 1930 vorgestanden hatte. Als Ersatz für den Dirigenten wurde schon bald Paul Uttenweiler aus Dotternhausen gefunden, der bereit war, für nur 1,50 Mark pro Probe die musikalische Leitung des Vereins zu übernehmen. Als neuen Vorstand wählten die Mitglieder in einer außerordentlichen Generalversammlung Ernst Hahn, den späteren Bürgermeister, der dem Verein bis 1937 vorstand.
In all den Jahren machte sich mehr und mehr der Einfluss des braunen Regimes bemerkbar. Schon kurz nach der Machtübernahme kam die Verpflichtung, nur noch "echte Volksmusik" zu pflegen und zu fördern und bald darauf die Anordnung, dass die Kapelle in Zukunft zu allen vorkommenden nationalen Anlässen zur Teilnahme verpflichtet sei. Das hieß im Klartext, dass die Musikanten z.B. am 1. Mai nicht nur hier in Rosswangen, sondern auch in Endingen und Erzingen Tagwache zu spielen und zusammen mit NS-Formationen Umzüge zu bestreiten hatten, Führerreden in Gasthäusern anhören mussten, Konzerte zu geben hatten, deren Erlös für nationalsozialistische Einrichtungen abgeführt wurde.
Die Musikkapelle mit Dirigent Paul Uttenweiler und die Kriegerkameradschaft im Kyffhäuserbund
auf dem Marsch zur Volksabstimmung über den Anschluss Österreichs am 10. April 1938
Eindrucksvoll waren jeweils die Fackelzüge durchs Dorf zum Hochgrat, wo ein mächtiges Feuer entzündet wurde und vaterländische Lieder gespielt und gesungen wurden. Solche "nationalen Weihestunden" sollten sich unauslöschlich ins Herz der Teilnehmenden einschreiben, was sicher auch oft gelungen ist. Wiederholt vermerkten die Schriftführer in ihren Jahresrückblicken, dass die Kapelle neben den kirchlichen Festen auch den Nationalfeiertag (1. Mai) und alle nationalen Gedenkfeiern "eingedenk ihrer unbedingten Pflichterfüllung gegenüber der neuen Regierung" aktiv mitgestaltete. Die Gleichschaltung, von den Machthabern in Berlin befohlen und durch die neugeschaffene Reichsmusikkammer angeordnet, kam auch in unserem kleinen Dorf zum Tragen. Die Nazis machten sogar mehrfach den Versuch, die Musikkapelle Rosswangen zu einer NS-Kapelle umzubilden und lockten mit neuen kostenlosen Uniformen. Dieses "Angebot" hinter dem viel Druck stand, konnten die Verantwortlichen jedoch abwehren.
Das einzige Gartenfest des ganzen Jahrzehnts fand im September 1936 statt. Die Kapellen Dotternhausen, Hausen, Schömberg und Weilstetten und die Gesangvereine aus Weilstetten und Rosswangen zogen in einem kleinen Festzug auf den Zinken zum Obstgarten des Wilhelm Hahn. Dort erklangen Musik- und Gesangsvorträge und als Höhepunkt ein Massenchor aller anwesenden Musikanten.
Mit dem Nahen des Krieges mussten immer mehr junge Musiker zum Reichsarbeitsdienst oder zur Militärausbildung, so dass die musikalische Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigt war. Auch sonst war es in jenen Jahren nicht zum besten bestellt. Die Probenbesuche wurden vernachlässigt, die Kameradschaft litt unter Streitereien, der Zusammenhalt zerfiel. 1938 konnte bei der Generalversammlung nicht einmal mehr ein Musikstück gespielt werden, da nunmehr der Dirigent streikte. Mit dem Ausbruch des Krieges 1939 schlief schließlich der gesamte Musikbetrieb ein. Die jungen Musikanten mussten größtenteils zum Kriegsdienst. Mehr als die Hälfte von ihnen kehrten nicht mehr in die Heimat zurück.
Kameraden, die ihr Leben auf dem Schlachtfeld opferten:
Hugo Klaiber | 1939 in Polen |
Otto Schweizer | 1941 in Afrika |
Franz Kraft | 1941 in Russland |
Josef Butz | 1941 in Russland |
Eberhard Butz | 1942 in Russland |
Johann Klaiber | 1942 in Russland |
Franz Merz | 1943 in Italien |
Franz Butz | 1944 in Russland |
Ignaz Schweizer | 1944 in Russland |
Vermisst:
Eugen Merz | Meinrad Kraft | Andreas Kraft | Johann Butz |